Schlimme Krisen, turbulente Zeiten, schwieriges Umfeld - beim Rückblick anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Bergwacht wurde nicht nur an Erfolge und das unbestritten große Verdienst der ehrenamtlichen Retter aus Scheibe-Alsbach erinnert.
SCHEIBE-ALSBACH - Die Gäste lachen, Scheibe-Alsbachs Bergwacht-Chef schmunzelt - der kleine Paul hat soeben das Zelt betreten, lauthals nach seinem Papa geplärrt, um sich hernach wohlig von Konni Lutter auf den Arm heben zu lassen. Manchmal kommt die "Hilfe" eben prompt. Für dreijährige Bergwichtel sowieso.
Konni Lutter absolvierte gerade den Gratulationsparcours, als der Sohn sein Recht forderte. Allzu oft, das hatte Lutter gerade noch deutlich gemacht, spielt das Familienleben nur die zweite Geige, "wenn jedes zweite Wochenende Übungen oder Einsätze anstehen, wenn Veranstaltungen von Sportvereinen abgesichert werden müssen, oder in der Steinacher Skiarena Dienst geschoben wird." Alles ehrenamtlich. "Der größte Dank geht an unsere Angehörige. Sie sind die, die uns viele Stunden im Jahr entbehren, die viele Dinge selbst machen müssen, da wir irgendwo im Regen, Schnee oder Sonne, in Steinbrüchen, Sportstadien oder Wäldern unterwegs sind um anderen Menschen zu helfen." Ihr 30. Jubiläum feierten die Retter in ihrem Domizil in Scheibe-Alsbach. Bier und Bratwurst statt Festakt mit Streichorchester, einen Tusch hätten sich die Aktiven sicherlich verdient. Dreier Jahrzehnte Engagement wurde gedacht. "Auf Bitte des DRK Neuhaus fanden sich 1974 insgesamt 25 Kameraden aus den Reihen des Ortsverbandes zusammen und bildeten eine Gruppe des Bergunfalldienstes." Peter Lattermann, Peter Meißner, Albert und Max Siegel gehörten zu den Ersten. Unterstützung gab die Gemeinde in Form von Ausrüstung. Lutter erinnerte an die Anfänge, Ausbildung in medizinischer Versorgung, Winterrettung und die Gründe der Gründung, die damals in der Zunahme des Fremdenverkehrs und der Vielzahl von Sportveranstaltungen des Wintersportvereins, dem Rennsteiglauf oder des militärischen Mehrkampfs (GST-Lager) lagen. Das Dienstgebiet beschränkte sich damals noch auf Scheibe-Alsbach und Umgebung. Die Ausrüstung stellte das DRK, um die Beschaffung musste sich niemand kümmern. Das änderte sich 1989. Auf Landesebene wurde mit dem Umbau der ehemaligen Bergunfalldienstgruppen der Bezirke Suhl und Erfurt zur Bergwacht Thüringen begonnen. Es entfiel der kostenlose und zentrale Zugriff auf Material. "Es tauchten erstmals Begriffe wie Sponsor und Förderer auf. Wie schon zu DDR-Zeiten halfen jetzt auch wieder Handwerker und Gewerbetreibende des Ortes." Dank galt Dieter Jakob: "Er unterstützte uns bei unserem ersten Fahrzeug. Ein ausgemusterter Krankenwagen aus Neuhaus." Dieser wurde umlackiert. Man war mobil.
"Taschen vollgemacht"
Mit der Auflösung des DRK-Kreisverbandes Neuhaus kam der Wechsel nach Sonneberg. Das Dienstgebiet vergrößerte sich, die Kameradschaft aus Steinheid löste sich auf: "Heute umschließt das Einsatzgebiet mehr als 15 Orte, von Katzhütte bis Schalkau, von Friedrichshöhe bis Steinach. Wir unterstützen die Polizei bei der Suche nach Vermissten, betreuen Skigebiete, helfen Sportvereinen aus Scheibe-Alsbach, Steinheid, Rauenstein und Steinach bei ihren Veranstaltungen im Sommer und Winter." Seit drei Jahren sind die Kameraden jedes Winterwochenende eine feste Größe in der Skiarena Silbersattel. Eine komplette statistische Übersicht über die vielen Stunden legte er für die vergangenen zehn Jahre vor: 51 000 sind es - ohne Entschädigung. "Es wurden in dieser Zeit fast 1000 Patienten versorgt. 110 davon wurden in Krankenhäuser eingeliefert. Diese Zahlen zeigen deutlich, welchen Nutzen diese ehrenamtliche Arbeit für den Landkreis und jeden einzelnen Ort hat."
Ein "Wermutstropfen" sei die Unterstützung: "Wir sind leider keine Pflichtaufgabe der Kommunen und kein hauptamtlicher Rettungsdienst und so sparsam fällt auch die Unterstützung aus. Darüber sollte mancher Politiker und Verantwortlicher einmal nachdenken." Bettelbriefe an die Ortschefs, auch darüber berichtete Freies Wort schon, wurden meist nur mit warmen Worten beantwortet. Mehr Zuwendung gab es selten.
Auch an die größte Krise der Retter in Scheibe-Alsbach erinnerte Lutter mit galligen Worten: Die Pleite des Kreisverbandes: "Die Hauptamtlichen hatten so gut gewirtschaftet, dass der Kreisverband Konkurs ging. Jeder wollte ein Stück haben. Unsere Kreisgeschäftsführerin machte sich mit der Sozialstation selbständig. Das Krankenhaus holte Rettungsdienst, Altenheim und Kindergärten. Nur die Ehrenamtlichen blieben auf der Strecke. Wer will die schon haben, kosten ja nur Geld." Erwin Götz, der mittlerweile als Vorsitzende dem später neu gegründeten DRK Sonneberger Kreisverband vorsteht, kam auch in seinem Grußwort zu einer ähnlichen Sicht auf die Vorgänge aus dem Jahr 1998, als der Insolvenzverwalter sogar die Sanitätstaschen der Ehrenamtlichen wegsperrte, als die von den Einsatzkräften in vielen Stunden freiwilliger Arbeit errichtete Schutzhütte plötzlich in die Insolvenzmasse einbezogen wurde, und später an die Gemeinde Scheibe-Alsbach verkauft wurde. "Im Mai 2001 gab es dann das Angebot der Gemeinde, die Hütte, die wir mit eigenen Händen erbaut haben, für 15 000 Mark zu kaufen. Das ist uns wahrlich nicht leicht gefallen, aber wir haben es gemeinsam geschafft." Umso erfreulicher sei es, dass nach den schlimmen Jahren man mittlerweile in Scheibe-Alsbach so gut aufgestellt ist, lobte Götz: "Als festes und verlässliches Mitglied im DRK Sonneberger Kreisverband."
Günter Senf, der stellvertretende Vorsitzende der DRK- Bergwacht Thüringen, schob nach, wem die einstige Existenzkrise zu verdanken war: "Einigen, die sich Kameraden genannt haben, sich in Wahrheit aber selbst die Taschen vollgemacht haben."
Landrat Sesselmann sprach den Aktiven im Namen des Landkreises zunächst den Dank für das Geleistete aus. Die Schwierigkeiten bei der Finanzierung, so machte er deutlich, sind bekannt: Bei Sitzungen des Rettungsdienstzweckverbandes steht die Bergwacht immer auf der Tagesordnung. Für die Zukunft hoffte er auf Erfolge beim Werben um Nachwuchs, in der anstrengenden Aufgabe "Jugendliche zu finden, die diese ehrenamtliche Funktion aufrecht erhalten und sich mit Begeisterung dieser schönen Aufgabe stellen."
Dass die Arbeit anerkannt wird, kam in den Glückwunschadressen der vielen Gäste zum Ausdruck: Florian Meusel, Geschäftsführer des Naturparks Thüringer Wald, erklärte die Bergwacht für unverzichtbar in Sachen "touristischer Events, Sport und Wintertourismus". Gerhard Müller, Geschäftsführer der Steinacher Skiarena, erklärte sich "zum größten Nutzer" der Bergwacht - und dankte mit einem kleinen Veilchen, in dem eine dicke Zuwendung steckte. Elisabeth Pauli, Chefin in der Limbacher Touristinformation, machte deutlich, wie wichtig die Wacht für den reibungslosen Ablauf am Lift und in der Loipe ist.
Dem Lob für die Aktiven folgte das gesellige Beisammensein. Eine kleine Feier im Festzelt, zwar ohne Streichorchester, aber mit Freunden und Familie, und dem Wissen, was in 30 bewegten Jahren stabiler Kameradschaft geleistet wurde. ANDREAS BEER